Corona hat es uns gezeigt – manchmal braucht es nicht viel und unser ganzes Laben steht kopf. Und irgendwie ist der tägliche Blick in die Nachrichten zum Alptraum geworden. Man denkt immer: Früher war das nicht so – aber: Es gab immer wieder Phasen in der Menschheitsgeschichte, die von Krieg und Krisen, von Pandemien und anderen Problemen gekennzeichnet war. Und das schaut sich die Archäologie natürlich an:
Entfernte Zeiten so nah: Pandemien und Krisen, so heißt ein kleines Büchlein,
das von Kieler Wissenschaftler*innen verfasst wurde. Die gemeinsame Grundhypothese dabei: je verbundener Menschen, desto geringer Konfliktpotentiale. Betrachtet werden verschiedene Kulturen und Zeiten, um grundsätzlich über das Verhalten von Menschen in Krisen- und Pandemien nachzudenken. Ein Vielseitiger und umfassender Blick soll dadurch generiert werden, der schon mit den ersten Pandemien, vor 10.000 Jahren beginnt. In dieser Zeit gibt es wichtiges Phänomen, dass in das Neolithikum (Jungsteinzeit) gehört. Tiere werden domestiziert und gehalten. Mensch und Tier rücken dadurch in ihrem Lebensraum zusammen, beginnen unter einem Dach zu leben.

So idyllisch das Leben im Freilichtmuseum auch wirkt – man lebte dicht an dicht mit den Tieren, und Pandemien entstanden so schnell (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).
Dadurch haben es Krankheitserreger leicht, zwischen den Tierarten zu wandeln. Ein interessantes Beispiel ist der Fundplatz Atlit Yam (etwa 8.000 Jahre alt). Dabei handelt es sich um den ältesten bekannten Ort, an dem sich Rinderzucht nachweisen lässt. Ebenfalls lässt sich durch Knochenanalysen der frühen Rinderzüchter*innen zeigen, dass hier auch die Krankheit Tuberkulose einen ersten bekannten Ausbruch erfuhr, eine Krankheit, die von Rindern auf Menschen übertragen wurde.

Dass der Permafrost schmilzt, birgt ungeahnte Gefahren (Bild: Boris Radosavljevic (CC BY 2.0)).
Ein anderer Blick führt nach Sibirien. Hier sind im Permafrost nicht nur Tiere erhalten, wie das ein oder andere Mammut, das die Medien als Eismumie präsentieren, sondern auch ihre Viren. Durch die globale Erwärmung taut diese Region zunehmend auf. 2016 hat dies bereits dazu geführt, dass ein wieder aufgetauter Milzbranderreger ein Rentiersterben ausgelöst hat. Auch Menschen sind damals gesundheitlich zu Schaden gekommen. Die Sorge hinter diesem Phänomen ist: Was passiert, wenn beispielsweise ein z.B. alter, mittlerweile völlig unbekannter Mammutvirus aus dem Paläolithikum (der Altsteinzeit) wieder auftaut und sich verbreitet? Unser Immunsystem ist dafür nicht gewappnet, und für völlig unbekannte Erreger gibt es auch keine Medizin – ob unsere Sozial- und Medizinsysteme das Aushalten, steht auf einem weiteren Blatt. Denn mit Corona hatten wir im Gegensatz zu anderen Krankheiten, wie Pest oder Cholera echt ein riesiges Glück.

1892 starben in Hamburg in wenigen Tagen 8.000 Menschen an der Cholera. Das ganze Leben kam damals zum Erliegen (gemeinfrei/historisch)
Aber auch da hilft ein Blick in die Archäologie, bzw. in die Ethnoarchäologie: Denn ein anderer, interessanter Aspekt bezüglich Sibirien ist, mit der indigen nomadischen Bevölkerung verbunden. Diese wurde bei der Kolonialisierung stark dezimiert. Haupttodesursache damals: Die Pocken. Und so lassen sich bis heute kulturelle Strategien in diese Nomadengruppen beobachten, wie mit Krankheitsausbrüchen umgegangen wird. Und diese Formen des kulturellen Umgangs erinnern nicht wenig an Quarantänemaßnahmen. Dabei bleiben die Leute aber in ihren Gruppen zusammen. Gemeinsame Tänze und Feste schaffen ein Gemeinschaftsgefühl, in dem man sich umeinander kümmert. Man teilt sich also in Gruppen – Man ist also gemeinsam statt einsam – Das wäre für unser psychisches Wohlbefinden bestimmt auch gut gewesen.

Auch die Lebensweise in der Urgeschichte kann und vielleicht Impulse geben, wie wir zukünftige Krisen bewältigen können (Das Lebensbild in im Landesmuseum in Kassel ausgestellt) (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).
Interessant ist auch der Blick auf urgeschichtliche Gruppen. Martin Fuhrolt führt aus, dass diese sehr vielfältiger waren, als wir es uns heute vorstellen. Und genau in dieser Diversität an Herkunft und Ideenwelten liegt oftmals die Lösung für eine Krise. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass man unter verschieden denkenden Köpfen die findet, die rettende Ideen haben, ist größer, als bei einer Gruppe Menschen, die sich sehr gleichen. Deswegen liegt die größte Stärke des Menschen in Diversität -Vielfalt, statt Einfalt ist also auch in dieser Hinsicht ein wichtiges Motto.

Und dass genau das hilft – die Solidarität untereinander habe ich selbst während der Wirtschaftskrise in Griechenland erlebt (Bild: Geesche Wilts (CC BY-NC 3.0 DE)).
Daran schließt ein Beitrag von Tim Kerig an, der mithilfe von Kontaktstrukturen im europäischen Neolithikum aufzeigt, dass Kontakt zwar einerseits dazu führt, dass sich Viren übertragen. Andererseits, zeigt sich aber auch, dass Kommunikation in Krisensituationen besonders wichtig ist. Dabei zielt er darauf ab, dass es ein wichtiges auch interkulturelles menschliches Phänomen gibt, dass für die Stärke sorgt, welche es benötigt, um Krisensituationen zu überstehen: Solidarität. Auch wenn man das in unseren Zeiten manchmal ganz vergessen glaubt – genau die scheint uns retten zu können.
Das Buch „je verbundener Menschen, desto geringer Konfliktpotentiale“,
zeigt die Welt der Pandemien und Krisen also nicht nur aus einem archäologisch aufklärerischen Blick, sondern ist dabei ganz lösungsorientiert. Ich habe euch hier nur schlaglichtartig die ersten Kapitel gezeigt. Wenn ihr Lust habt selber alles nachzulesen und euch umfassend darüber zu informieren, was Forscher*innen mit weiteren Schwerpunkten auf andere Zeitalter wie der Antike oder die Bronzezeit zu sagen haben, dann lest doch das ganze Buch. Es ist einfach und völlig kostenfrei unter diesem Link zu finden:
Und wenn du jetzt denkst: Hey Danke Miss Jones, dass du immer so spannende Themen auf Lager hast – ich freue mich immer über Trinkgeld 🙂
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