Vergangenen Sommer hielt ich mich einige Zeit in Hagen auf, u.a. um einen Podcast zu gestalten, aber auch um mal ein bisschen in die Archäologie der Region reinzuschnuppern. Wenn ich schon mal da bin, dachte ich, dann kann ich mir auch das örtliche Freilichtmuseum ansehen. Mit den Öffis ist das Museum relativ gut zu erreichen. Aber schon im Bus beschlich mich der Gedanke, dass irgendetwas Seltsames passiert. An dem Tag als ich mir das Museum ansehen wollte, fand dort ein Steampunk-Festival statt. Deswegen konnte ich mir das Museum nicht in dem gewöhnlichen Umfang ansehen. Dennoch möchte ich euch einen tollen Sommerausflug nach Hagen empfehlen, denn das Museum ist ziemlich schön gestaltet.
In dem Museum sind Häuser wieder aufgebaut, die 200 Jahre Technikgeschichte der Region erzählen. Immer wieder laufen ehrenamtliche Helfer herum, die die technischen Anlagen erklären und vergangenes Handwerk demonstrieren und so auch bewahren. Das ist spannend für klein und groß, wenn auch manchmal ganz schön laut. Ein stattliches Gebäude ist ausgebaut zum Deutschen Schmiedemuseum. Es handelt sich bei dem Barock-Fachwerkbau um das ehemalige repräsentative Rathaus von Neunkirchen. Dieses Haus wurde, wie die anderen Gebäude, in diesem Freilichtmuseum wieder errichtet und aufwendig restauriert. Solche Gebäude geben dem Museum einen besonderen Charme. Und ganz ehrlich, am liebsten würde ich einziehen.
Doch genau da ist der Haken. In diesem Museum geht es sicherlich um Handwerk. Eine beeindruckende Sammlung an Handwerkshäusern mit Innenausstattung ist hier ausgestellt. In Anbetracht der prall gefüllten Werkstätten, mit den teilweise 200 Jahre alten Werkzeugen kommt man sich fast verloren vor. Was ist das alles? Frage ich mich zeitweilig. Aber nach einer gewissen Zeit frage ich mich auch, haben die Handwerker*innen der vergangenen 200 Jahre überhaupt geschlafen? Meiner Auffassung nach gehört zum Handwerk immer auch dazu, dass gezeigt wird unter welchen Bedingungen die Handwerker*innen gelebt haben. Und das ist bei verschiedenen Handwerken und Karrierestadien durchaus unterschiedlich gewesen. Einige hatten für ihren Beruf einen Raum in ihrem Haus, andere wiederum gingen zur Arbeit in einen Betrieb. Wie lebten diese Menschen? Wie schliefen sie? Wie war es um ihre Gesundheit beschert? Punkte, die ausbleiben in diesem Museum. Und das kann leider dazu führen, dass die Besucher mit einer Vorstellung von einem vermeintlich besseren Früher nach Hause gehen. Ein besseres früher, dass negative Punkte wie Berufskrankheiten und harte Arbeitsbedingungen ausklammert. Und das finde ich persönlich schade.
Ziemlich schön gelungen sind wiederum die vielen Stätten an denen Fertigkeiten der Handwerker*innen gezeigt werden. So findet man im Friseursalon aus dem 19. Jahrhundert eine Frau die allerhand Fragen zum Friseurhandwerk beantwortet. Auch antiquiert wirkende Rasiermesser sind ausgestellt. Besonders skurril wirken die ausgestellten Perücken. Perücken waren ab dem 17. Jahrhundert eher eine Kunstform als ein reines Friseurhandwerk. Mit der Französischen Revolution hatte diese Modeausformung dann allerdings ein Ende. In der weiteren Entwicklung der Zeit, war es dann auch nicht unüblich, dass der Friseurbesuch eine Art Happening für Männerfreundeskreise wurde, welche sich gemeinsam bei einem guten Bier Haar und Bart zurechtlegen ließen.
Das Druckhandwerk ist in einem besonders schönen Haus ausgestellt. Es handelt sich um das Wohn- und Geschäftshaus der Familie Voster. Diese Familie hat eine Papiermühle betrieben. Das Gebäude wurde aufwendig restauriert und ist voll zu einem Ausstellungshaus ausgebaut. Besonders schön ist, man kann hier eine Druckmaschine selber ausprobieren. Solche Maschinen werden genauso ausgestellt wie Druckerzeugnisse. Eine Handsetzerei wird präsentiert. In Setzkästen werden Buchstaben aufbewahrt. Die Schriftsetzer*innen hatten die Aufgabe die Buchstaben so zu arrangieren, dass der richtige Text entstand. So wurde eine Druckplatte gestaltet mit der dann Schriften, z.B. für Zeitungen, vervielfältigt werden konnten. Schade ist, dass ein wenig der Charme eines Freilichtmuseums fehlt, bei dieser Schau der technischen Innovation des Druckhandwerkes der letzten 200 Jahre. Zwar fehlt es nicht an Beschriftungen und doch wirkt alles eher wie eine Hinstellung, die einen nicht wie sonst in Freilichtmuseen z.B. durch Klänge oder Gerüche abholt.
Besonders schön präsentiert wird wiederum der Messingdampfhammer. Ein Handwerk, dass für die Stadt Iserlohn im 19. Jahrhundert besonders wichtig gewesen ist. Ein sehr engagierter Mann erklärt mit kräftiger Stimme, damit es auch jede*r mitbekommt und jede*r versteht, dieses Handwerk. In dem Gebäude, dass einst Otto E. Metzler gehörte wird so dieses Handwerk bewahrt. Hierbei wurde mithilfe von Matrizen (Das sind Negativformen) Messing, in mehreren Arbeitsschritten, in Form gestampft. Dabei entstanden teilweise sehr filigrane Metallbilder. Diese sind dann bemalt oder unbemalt als Zierelemente verwendbar. Von Sargbeschlägen bis hin zu Heiligenbildern werden so Objekte gefertigt, wie vor 100 Jahren in die ganze Welt exportiert wurden.
Die Handwerkserzeugnisse lassen sich im Deutschen Schmiedemuseum innerhalb des Freilichtareals bestaunen. Eine gut gemachte Ausstellung die immer wieder auch interaktive Angebote für Kinder bereithält. Einen Teil dieser Ausstellung lässt mich allerdings auch etwas unwirsch zurück. Handwerksmythen werden hier thematisiert. Ich frage mich, warum man so etwas Thematisiert, und wenn ja, wie. Zumindest in der Gestaltung, wäre es möglich gewesen Wandbilder zu wählen, die etwas mehr in ein museales Konzept passen, dass nach 1945 erarbeitet wurde. Doch in den weiteren Ausstellungsräumen gibt es einige Ausstellungsstücke, die wirklich sehenswert sind. Beispielsweise kleine Kästchen. Ein spätgotisches Verwahrkästchen für Schmuck und andere Kostbarkeiten aus dem 14. Jahrhundert, sind in ihrer Schönheit wirklich atemberaubend. Das Kästchen besteht aus Eisen, und ist mit Arkanthuslaub verziert. Dieses Kästchen ist nicht das einzige Ausstellungsstück dieser Art, das ausdrückt, was Handwerkskunst bedeutet und einem schier den Atem raubt.
Alles in allem lässt sich aber sagen, dass LWL-Freilichtmuseum Hagen ist ein schöner Ausflugsort für dich und deine Kids. Es gibt Spielplätze und vieles interessantes und hübsches zu entdecken. Zwischendurch lockt ein Stand mit Waffeln und ein gut sortierter Museumsshop rundet den ganzen Tag ab. Für einen Besuch würde ich empfehlen, einen nicht ganz heißen aber angenehmen Tag zu wählen. Regen kann in diesem Museum nämlich ganz schön stören, denn die Wege zwischen den Häusern sind dann doch teilweise recht weit. Die gesamte Anlage ist recht groß, deswegen: Zieht euch Schuhe an, mit denen man gut Laufen kann. Die Gebäude des Freilichtmuseums sind in einer Art Grünanlage angesiedelt, dadurch entsteht eine angenehme Abwechslung zwischen dem Arbeitsmief der Industrialisierung und dem grün der Natur. Und das macht das Museum wirklich zu einem angenehmen Ausflugsziel wo sich viele Kleinigkeiten entdecken lassen.
Literatur:
https://www.lwl-freilichtmuseum-hagen.de/de/
Forschungsbeiträge zu Handwerk und Technick, Band 22, Hagen 2011.
Julez von der Ley; Buchkultur im Abendrot; Hannover 2017.
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