Das Jahr nähert sich dem Ende. Es ist Zeit für einen Jahresrückblick. 2019 war ein Jahr der spannenden Funde und manchmal der noch spannenderen Erkenntnisse aus dem Labor. Viele faszinierende und interessante Erkenntnisse wurden in diesem Jahr bekannt. Einige haben, wie so oft in der Archäologie, die Fähigkeit lang glaubte Annahmen einfach so über den Haufen zu werfen. Andere Fundstücke aus der Geschichte der Menschheit sind einfach nur wahnsinnig interessant und wieder andere Forschungsmomente rauben einem schlichtweg den Atem. Deswegen habe ich für euch ein Ranking gemacht, über die meiner Meinung nach tollsten Archäologiemomente aus diesem Jahr:
Platz 10: Hirse, das Getreide, das nicht aus Mesopotamien stammt
Für Archäologen ist es fast schon eine Binsenweisheit. Die Domestikation von Getreide, der Anbau der ersten Nutzpflanzen, die Sesshaftigkeit, all diese Geschehnisse passierten zuerst in Mesopotamien. Im sogenannten fruchtbaren Halbmond liegt das Zentrum dessen, was “neolithische Revolution”, oder auch “Neolithisierung” genannt wird. Gemeint ist damit der Prozess, in dem Menschen nicht mehr als jagende Kleingruppen durch die Landschaft streiften, sondern in den ersten festen Wohnstätten lebten. In dieser Zeit entstanden auch die ersten Getreidearten. Dieses Jahr zeigte eine Analyse der Universität Kiel allerdings, alles kam dann doch nicht aus dem Nahen Osten. Hirse wurde in China domestiziert und verbreitete sich von dort aus. Über Kasachstan gelangte das neue Nahrungsmittel dann nach Europa. (Mehr dazu)
Platz 9: 27 Millionen Jahre Sprache
Also ich habe noch in der Schule gelernt, dass der Neandertaler vielleicht etwas grunzen konnte, aber bestimmt nicht sprechen. Während diese Annahme nun schon lange glänzend widerlegt wurde untersuchte in diesem Jahr ein Forscher*innen Team der Universität Alabama Sprache mit vergleichenden Analysen. Hierbei wurden verschiedenste Primatenarten miteinander verglichen, die sich ebenfalls über Laute und rufe miteinander verständigen. Die kognitiven Fähigkeiten wurden in den Vordergrund gerückt, die notwendig sind um Sprache entwickeln zu können. Für das Aufnehmen und Verstehen der gemachten Rufe sind diese von großer Wichtigkeit. Zudem wurde untersucht in wieweit ein Stimmapparat ausgeprägt sein muss, damit sich eine Sprache entwickeln kann. Das Ergebnis verblüffte. Schon lange vor der Zeit der Hominiden (Also der Vormenschen) war die Sprache in unseren Vorfahren veranlagt. Bereits vor 27 Millionen Jahren gab es zumindest biologisch die Möglichkeit sich mit lauten zu verständigen. Inwieweit diese Fähigkeit genutzt wurde lässt sich aber derzeit nicht erforschen. (Mehr dazu)
Platz 8: Eine keltische Frau in Zürich
Diese wunderschöne Glasperlenkette wurde in dem Grab einer Frau entdeckt. Mitte des Jahres wurde bekannt geben, dass die Bestattung dieser Frau in Zürich bei Bauarbeiten an einer Schule gefunden wurde. Die Frau aus der Latenézeit war sehr reich ausgestattet gewesen. In direkter Umgebung fand sich ein weiteres Grab eines Mannes, der ebenso reich ausgestattet gewesen ist. Besonders ansehnlich ist allerdings die Kette dieser Frau. Es stellte sich schnell die Frage um was für eine Person es sich handelt, heißt es doch immer wieder, Zürich sei erst durch die Römer besiedelt worden. Diese Frau lebte allerdings schon vor dieser Zeit und war offenbar wohl Situiert. Um der Frage auf den Grund zu gehen wurden einige Isotopenanalysen durchgeführt (Bestimmte Isotopen bleiben im Knochen erhalten und unterscheiden sich in der Konzentration je nach Herkunftsort z.B. des Trinkwassers das ein Mensch zu sich genommen hat). Dabei stellte sich heraus: Die Frau hatte ihr ganze Leben in der direkten Umgebung verbracht. Inwieweit die Geschichte Zürichs jetzt umgeschrieben werden muss, wird die Zukunft zeigen (Mehr dazu).
Platz 7: Die frühen Kiffer
Im Sommer dieses Jahres gab es eine interessante Nachricht aus dem chinesischen Pamirgebirge. Bei einer Ausgrabung kam ein Räucherwerk zuzage, das verwendet wurde, um Marihuana zu konsumieren. Bei der 2.500 Jahre alten Konstruktion handelt es sich um einen Holzbehälter, in den heiße Steine gelegt wurden. Auf diesen Steinen wurden die Blüten der Hanfpflanzen verdampft, um das Rauschmittel THC zu inhalieren. Derzeit ist zu vermuten, dass in dieser Region die ersten Kiffer lebten. Zunächst wurde hier wilder Cannabis genossen, der bald domestiziert war und über die Seidenstraße in den Westen gelangte. Das Räucherwerk wurde im Grab des ältesten bekannten Kiffers der Welt entdeckt (Mehr dazu).
Platz 6: Wikinger aus Uppsala
Uppsala ist Wikingerfans und Schweden begeisterten natürlich in Begriff. Es ist einer der Orte, an der diese nordische Kultur aufblühte und florierte. In diesem Jahr wurden hier Ausgrabungen vorgenommen, die die Erwartungen, die man an so einen Fundplatz stellt, noch übertroffen haben. Unter einem Keller aus dem 16. Jahrhundert hatte sich offenbar ein mittlerweile vergessener Grabhügel verborgen. Die bekannten Grabhügel in Uppsala wurden schon vor über 100 Jahren untersucht. Für die Untersuchungen mit modernen Methoden waren diese Grabhügel für die Wissenschaft also verloren gegangen. Durch den Fund der Überreste von diesem vergessenen Grabhügel konnten nun solche Bestattungen mit modernen Methoden betrachtet werden. Besonders nteressant: Die Wikinger wurden auf fahrtüchtigen Langbooten beigesetzt (Mehr dazu).
Platz 5: Fauler Zauber
Manchmal finden Archäologen die seltsamsten Objekte. Im englischen Watford wurde dieses Jahr beispielsweise eine Hexenflasche entdeckt. Eine Hinterlassenschaft eines weit verbreiteten magischen Glaubens im 18. Jahrhundert. Die Flasche beinhaltet verschiedene Dinge, wie z.B. Fingernägel, Holz oder Knochen. Sie ist mit Urin aufgefüllt gewesen. Solche magischen Amulette sollten vor Unheil schützen. Sie wurden unter der Kleidung getragen aber auch beim Bau von Gebäuden vergraben. Oftmals werden sie unterhalb von Fenstern oder Türschwellen gefunden. Die neu entdeckte magische Flasche war unter dem Kamin eines Pubs vergraben. Sie ist eine von rund 200 Hexenflaschen die in England derzeit bekannt sind (Mehr dazu).
Platz 4: Funde aus dem Tollensetal
In der Bronzezeit gab es mindestens eine große Auseinandersetzung an der Tollense im heutigen Mecklenburg-Vorpommern. Ein wildes Durcheinander an Knochen wird hier untersucht (Mehr dazu findest du im Podcast). Tatsächlich sind aber noch viele Fragen offen, die dieses Schlachtfeld betreffen. So ist es zum Beispiel unklar, wer sich hier in einem Konflikt miteinander befand. Die Analyse der Knochen zeigte bislang nur eines deutlich: Es waren Männer, die hier aufeinander getroffen sind. Funde von Gegenständen oder Waffen, gibt es am Tollensetal zwar, aber sie haben einen gewissen Seltenheitswert. Diesen Sommer wurde nun der Fund eines Alltagstäschchens bekannt, dass einem Kämpfer offenbar in den Fluss gefallen ist. Ein besonders schöner Fund, denn die einzelnen Geräte und Werkzeuge geben uns einen Einblick in das bronzezeitliche Alltagsleben. Aber auch sonst ist dieser Fund interessant, denn vergleichbare Alltagswerkzeuge gibt es im norddeutschen Raum nicht, wohl aber in Tschechien und in Frankreich. Vielleicht ist das ein Hinweis auf die Herkunft der Krieger (Mehr dazu)
Platz 3: Nuckelflaschen aus der Bronzezeit
Eine der neueren Ideen in der Archäologie ist es nicht nur die Lebenswelt der Erwachsenen, sondern auch die der Kinder zu betrachten. Hierzu gehören Nuckelflaschen. In diesem Jahr hat ein internationales Forscher*innenteam, dass von Österreich aus arbeitet Nuckelflaschen aus der Bronzezeit untersucht. Sie sind der Lebenswelt der aller kleinsten Mitglieder der Gesellschaft auf der Spur. Experimentell konnte gezeigt werden, dass es tatsächlich möglich ist Säuglinge mit solchen Fläschchen zu füttern. Außerdem konnte der Inhalt analysiert werden. Milch verschiedener Tiere wurde mit Hilfe der niedlichen Keramiken verfüttert. Besonders interessant an diesen Nuckelflaschen ist aber, dass sie es ermöglichen, dass auch ein anderer Mensch als die Mutter ein Baby versorgt (Mehr dazu).
Platz 2: Der aufrecht gehende Affe
Der Fund des Danuvius Guggenmosi ging erst vor wenigen Wochen durch die Presse. Schnell wurde er Udo getauft. Bei den Knochenfunden aus dem Allgäu handelt es sich um die Skelette einer Affenart, die vor 11,5 Millionen Jahren auf der Erde lebte. Das ist lange vor der Zeit der Menschenaffen. Es ist möglich, dass es sich um einen gemeinsamen Vorfahren von uns Menschen und den Menschenaffen handelt. Dieser Punkt konnte allerdings noch nicht bestätigt oder widerlegt werden. Auffällig ist aber, der Affe hatte eine s-förmige Wirbelsäule und ein Becken, dass ihm das aufrechte Gehen ermöglichte. Der Mensch und sein aufrechter Gang sind also nicht so einzigartig, wie wir es bislang gedacht haben (Mehr dazu).
Platz 1: Eine Krimskramskiste aus Pompeji
Bei Ausgrabungsarbeiten in Pompeji kam dieses Jahr ein einzigartig schöner Fund zu Tage. Die Vulkanasche hatte fast 2.000 Jahre lang eine kleines Schächtelchen voll mit wunderschönem Schmuck und Krimskrams verborgen. Der Abdruck der Holzkiste in der die kleinen Schätze gelagert wurden, war noch in der Vulkanasche erhalten geblieben. Es handelt sich in der Hauptsache um Modeschmuck, der zu der Zeit der Römer an jeder Ecke erhältlich gewesen ist. Neben Perlen aus verschiedensten Materialien finden sich aber auch kleine Anhänger die eine religiöse Bedeutung haben können. Das Schächtelchen zeigt uns aber vor allem wie farbenfroh die Römer lebten. Es muss ein atemberaubender Moment gewesen sein, als diese tollen Objekte wieder ans Tageslicht gekommen sind. So etwas einzigartig schönes findet man nur einmal im Leben (Mehr dazu).
Ich wünsche euch allen einen guten Rutsch in das neue Jahr!