Wenn man eines nicht vergisst, dann diese ersten Themen, die man in der Uni referieren musste. So stand ich da vor fast 10 Jahren vor meinen Kommiliton*innen, mit klopfendem Herzen. Mein Thema war Malia, der minoische Palast an der Mittelmeerküste. Für mich war das Thema am Anfang nur ein Labyrinth das aus einer Trümmerwüste bestand. Es war ein Haufen Arbeit auch nur ein bisschen zu verstehen, wie diese komplexe Anlage funktioniert hat. Aber ich habe diesen Palast mittlerweile ganz tief in mein Herz geschlossen. Und so war ich unglaublich glücklich, als ich ihn dann, Ewigkeiten später, tatsächlich einmal mit eigenen Augen sehen durfte.
Kein Palast dieser bronzezeitlichen Hochkultur liegt so dicht am Meer. Deswegen lohnt es sich für Naturliebhaber die Umgebung um den Fundplatz zu erkunden. Denn die Gegend ist einzigartig schön. Es erfordert im Sommer allerdings einiges an Hitzeresistenz. Wer die Umgebung der zwar abgezäunten und verrammelten Grabstätte des Palastes erkundet, der entdeckt eine einzigartige Natur. Ganz besonders schön ist, dass der Boden hier leicht rötlich ist. Das liegt an einer geologischen Besonderheit, die man nur in dieser Region Kretas findet. Die grünen Pflanzen und das naheliegende Blaue Meer erzeugen ein einzigartig schönes Farbenspiel.
Die archäologische Stätte liegt im Norden der Urlaubsinsel. Nicht weit der gleichnamigen Stadt Malia, mit ihren vielen Touristenangeboten. Von dort aus ist die bronzezeitliche Palastanlage leicht zu erreichen. Aber Vorsicht. Auch wenn es nur der drittgrößte der bekannten minoischen Paläste ist, reicht die Größe dennoch dafür aus, dass man sich einen ordentlichen Sonnenbrand einfängt. Also Sonnencreme nicht vergessen. Für Geschichtsfreaks, und Archäologienerds ist Malia definitiv ein Ausflugsziel, dass man nicht verpassen darf. Wer sich nicht so sehr für archäologische Stätten begeistert, der kommt sich hier schnell verloren vor, deswegen empfehle ich für Menschen ohne Vorwissen eine Führung zu buchen. Spätestens beim ersten Blick über diesen Fundplatz wird einem klar, wie eine Geschichte wie die vom Labyrinth des Minos auf Kreta vermutet werden. Wie bei anderen minoischen Palästen auch, liegt ein Gesteinsmeer wie ein Labyrinth vor einem.
Der Palast von Malia wurde von J. Hazzidakis entdeckt. Die wirkliche Erforschung folgte in den 20ger Jahren durch F. Capoutier, der die Anlage großflächig freilegte. In Malia waren in der Hauptsache französische Archäologen tätig, die nicht nur den Palast sondern auch die naheliegende Siedlung freilegten. Diese Siedlung gehört zu den best erhaltenen Siedlungen der Minoer. Auch Teile dieser angrenzenden Siedlung gehören heute zu der archäologischen Stätte und können besichtigt werden.
Zu der archäologischen Stätte gehört auch ein kleines Museum. Hier finden sich einige Erklärungen über den Fundplatz und auch einige ansehnliche Rekonstruktionen. Aber bis auf den Verkauf von Wassereis im Museumscafé kann ich leider von keinen tollen Programmen für Kinder berichten. Tatsächlich werden Familien einfach alleine gelassen und müssen sich die Fundstätte selber erschließen. Wer archäologiebegeisterte Kinder hat, für den ist diese Stätte sicher ein Erlebnis. Aber sonst ist es eher ein interessanter Ort für interessierte und hitzeresistente Erwachsene. Schade, denn die Fundplätze der Minoer haben viel potenziell spannend erzählt zu werden. Aber es ist deutlich zu merken, dass hier wie überall in Griechenland gespart werden muss.
Immerhin handelt es sich bei Malia um die Ruinen einer der minoischen Paläste, die uns heute über diese Kultur staunen lassen. Die Minoer errichteten diesen Palast gegen 1950 v. Chr.. Über diesen ersten Palastbau ist allerdings wenig bekannt, da ein zweiter Palast aus der späten Palastzeit auf seinen Grundmauern erreichtet wurde. Diese Mauern können heute besichtigt werden. Sie stammen aus der Zeit um 1700 v. Chr. und wurden vermutlich erst gegen 1450 v. Chr. aufgegeben. Er bestand also über 250 Jahre. Da hier ein Palast über dem anderen errichtet wurde müsste man die Stätte abreißen um die darunter liegende Stätte zu erforschen. Das ist mit dem Gedanken des Kulturerbschutzes nicht vereinbar. Deswegen werden wir über den ersten Palast der an dieser Stelle stand vermutlich nie wirklich viel in Erfahrung bringen können.
Der Palast von Malia ist der 3. größte, der 4 großen bekannten minoischen Palastanlagen. Auch im Bereich Kunsthandwerk wird Malia von den beiden größeren Palästen Phaistos und Knossos übertroffen. Aber, der Palast verfügt über die typischen Baumerkmale dieser Architektur. Hierzu gehört beispielsweise ein zentraler Hof mit einer Nord-Südausrichtung. Aber bei diesem Vergleich beginnt ein Phänomen, denn Malia ist in so mancher Hinsicht einzigartig. Der Innenhof der Palastanlage von Malia hat eine einzigartige Baustruktur, die sich im Zentrum des Innenhofes befindet. Diese Baustruktur, wird als Altar gedeutet. Was der tatsächliche Zweck war und warum nur in Malia eine solche Vorrichtung existiert ist ein ungeklärtes Rätsel in der Archäologie. Die Innenhöfe minoischer Paläste werden als der Schauplatz von einem Ritual angesehen, bei denen Männer über Stiere sprangen. Dieses Szene ist von Fresken in Knossos bekannt. In Malia hingegen wurden keine Fresken gefunden. Diese Schlichtheit ist in der minoischen Kultur wiederum eher ungewöhnlich.
Ebenfalls einzigartig für die Kultur der Minoer sind die Kornspeicher dieses Palastes. Diese Speicherbauten sind architektonisch sehr auffällig, da sie eine runde Baustruktur haben. Kornspeicher der minoischen Kultur haben normalerweise einen rechteckigen Grundriss. Zudem fallen die Räumlichkeiten auf, welche Handwerker genutzt haben und die Archivräume für die Verwaltung und die schriftliche Dokumentation. Sie unterschieden sich in ihrer Größenordnung von den vergleichbaren Baustrukturen dieser Kultur. Vielleicht handelt es sich hier eher um eine Landhausvilla als um einen Palast. Da die Umgebung um Malia in der Bronzezeit als besonders fruchtbar angesehen werden kann, sehen wir hier evtl. ein Zentrum einer argrarisch geprägten Region innerhalb der Minoischen Kultur.
Doch es gibt auch Gemeinsamkeiten mit den beiden großen Palästen im bronzezeitlichen Kreta. Zum Beispiel befindet sich an architektonisch gesehen gleicher Stelle, wie bei dem Palast von Knossos, ein Saal. Es ergibt sich daraus die Frage ob es sich um einen Thronsaal gehandelt hat bzw. eine Art Versammlungshalle, oder um eine Kultstätte an der Opfergaben dargebracht wurden. In dem Saal in Malia wurden einige hochwertige Artefakte ausgegraben. Diese Artefakte zeigen deutlich, dass dieser Saal eine besondere Beutung gehabt haben muss. Es handelt sich um Bronzeschwerter und Dolche sowie Schmuck und eine einzigartige Votivfigur (Votiv = Opfer) in Form eines Panthers.
Der ganze Palast wurde aus dem leicht rotbraunen Sandstein der direkten Umgebung errichtet. Keine wertvollen Materialien wurden herbeigeschafft um diese Anlage zu errichten. Die Menschen bedienten sich an dem was sie Vorort vorfanden. Dies ist ein kleines Argument für die Theorie, dass von diesen Palastanlagen aus die Umgebung regiert wurde und der Einflussbereich sich auch nur auf diese Umgebung erstreckte. Archäologen haben anhand der Verteilung von regionalen Keramiktypen im bronzezeitlichen Kreta versucht diese Herrschaftsbereiche zu ermitteln. Nach dieser Untersuchung erstreckte sich der Gebietsanspruch des Palastes von Malia bis nach Gournia. Es ist allerdings streitbar, ob sich diese Methode eignet, da Keramik auch als Handelsware gedient haben kann – so gibt es wunderschöne Keramik die mit Octopusmustern verziert ist. Oder es wurde Handelsware in dieser Keramik transportiert und diese mehrfach wiederverwendet und sie gelangte so in weiter entfernte Regionen. Der Palast von Malia bedeutet für die Forschung also vor allem eines: Viel Potenzial für weitere Forschungsprojekte.
Das die Menschen aus Malia Handel getrieben haben, ist sehr wahrscheinlich. Denn die nahe gelegene Bucht war in der Bronzezeit ein optimaler Ankerplatz. Damit war Die bronzezeitliche Siedlung mitsamt Palast an das Mittelmeer angebunden. Fresken aus anderen Palästen zeigen einen lebhaften Seehandel – selbst das kleine Gournia hatte einen eigenen Hafen. Das Seehandel auch in Malia betrieben wurde ist hochwahrscheinlich. Wie weit dieser Handel funktionierte ist nicht ganz klar. Beispielsweise kann Malia im Gegensatz zu andern Minoischen Palästen wie Phaistos oder Knossos keine Funde vorweisen, die auf einen direkten Kontakt mit beispielsweise Ägypten schließen lassen. Aber es gibt kleine Hinweise, dass auch die Menschen von Malia die Pharaonen zumindest als Inspiration kannten. So wurden im Händler und Hafenquartier Siegel gefunden, die Motive tragen, die es eigentlich nicht in der kretischen, wohl aber in der ägyptischen Vorstellungswelt gab.
Auch eine kleine Darstellung einer Sphinx wurde hier entdeckt. Es handelte sich vermutlich um eine Applikation, die an einer Vase angebracht gewesen ist. Die Keramik ist datiert auf das 19. – 18. Jahrhundert v. Chr. die Darstellung ist sehr auffällig, da der Kopf der Figur typisch minoisch ist, der Bart und der Schwanz aber der Osirisikonographie entspricht. Damit ist dieses Fundstück von der künstlerischen Einordnung her ein Hybrid aus der ägyptischen und der minoischen Kultur. Durch solche Beobachtungen kann man annehmen, dass die Bewohner von Malia wussten das südlich von ihnen Pharaonen lebten.
Der Palast von Malia hat also viele kleine und faszinierende Besonderheiten, die ihn für einen Archäologiefan zu einem unbedingten und wichtigen Ausflugsziel machen. Hierzu gehört zum Beispiel der Kernos. Dabei handelt es sich vmtl. und einen Opferstein der am Eingang des Palastes die Besucher empfing. Dieser legte dieser Idee nach kleine Opfergaben in die Mulden des Steines. Solche runden Opfersteine finden sich immer wieder auf Fundplätzen der minoischen Kultur. Aber dieser Kernos ist ganz besonders groß und schön gearbeitet. Wer sich für solche Details begeistern kann, für den ist Malia das perfekte Ausflugsziel im Kretaurlaub. Wer sich allerdings nicht vorbereitet, und sich auch wenig für Archäologie interessiert, für den bleibt diese wunderbare Stätte leider nichts weiter als ein großer Haufen Steine. Und weil dieser Fundplatz einfach nicht in einen Artikel alleine passt, habe ich hier noch eine Bildergalerie für euch:
Literatur
J.Lesley Fitton, Die Minoer, The British Museum 2002.
James Walter Graham, The Palaces of Crete, New Jersey 1962.
J.-C. Porsat, Malia and Egypt. In: Crete – Egypt, Three thousand years of cultural links, Herakleion – Cairo 2001.
F. Schachermeyr, Die Minoische Kultur des alten Kreta, Mainz 1964.
http://www.minoancrete.com/malia.htm
http://www.minoancrete.com/malia02.htm
Super interessant, Miss Jones. Gerade die minoische Kultur kennen wir ja gut durch König Minos, von dem eine Legende sagte, alles.was der berührte würde zu Gold. Okay, ein besonders guter Geschäftsmann, also. Und natürlich das Labyrinth und der Stier, war das nicht so? Kurzgefasst.Ich liebe diese griechischen Mythologien. Was ja ursprünglich auch Wahrheiten waren. Ich liebe sie alle, wie auch Troja.
Naja, ich würde Sagen, das mit den Wahrheit stimmt einfach nicht. Es sind eher Geschichten, die Inspiriert wahren, von dem was sichtbar ist. Eben Ruinen einer reichen Kultur, mit Labyrinthen und Abbildern von Stieren… Mehr Wahrheit steckt da nicht drinnen.
Ich habe eine kleine Anmerkung: Der etwas abgelegene Palast von Kato Zakros liegt ebenso am Meer. Ist etwas weit weg von den typischen Touristenrouten, lohnt sich aber auf jeden Fall. Vielleicht verbunden mit einer Wanderung durchs “Tal der Toten”, Begräbnisstätten der Palasteinwohner?!
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