Neandertaler auf der Jagt nach gigantischen Elefanten

Die Jagt ist geglückt. Einige Gruppen Neandertaler haben sich vor einigen Tagen dafür zusammengeschlossen. Nun zerlegen sie das größte ihnen bekannte Tier. Einen europäischen Waldelefanten. Er ist 4 m hoch und 13 Tonnen schwer. Heute gibt es ein Festmahl. Es wird 125.000 Jahre dauern, bis ein internationales Team von Archäolog*innen diese Ereignisse entschlüsselt. Die Geschichte der prähistorischen Elefantenjagd.

Was ist ein Europäischer Waldelefant?

Der Europäische Waldelefant (Palaeoloxodon antiquus) war das größte Landsäugetier, das in der gleichen Zeit wie Menschen gelebt hat. Waldelefanten lebten ebenso wie Mammuts in Europa und Asien, waren aber viel größer. Besonders bekannt ist der Waldelefant wegen seiner vergleichsweise langen Stoßzähne. Die gigantischen

Ein Elefantenschädel in einem Muaeum. Er hat auffällig lange Stoßzäne, eine Darstllung des Elfanten in Miniatur steht daneben.

Ein Schädel eines Waldelefanten mit einer Miniaturrekonstuktion, ausgestellt im Archäologischen Museum Madrid (Gemeinfrei).

Rüsseltiere lebten von vor 800.000 bis vor 100.000 Jahren. Sie hatten einen stark ausgeprägten Sexualdimorphismus. Das heißt in diesem Fall: die Männchen werden sehr viel größer als die Weibchen. Doch bislang war unklar, ob die Neandertaler verendete Tiere, die sie fanden, verspeist haben, oder aber ob sie so mutig waren, die Riesensäuger auch selbst zu jagen. Denn, wenn sich ein so gewaltiges Tier währt, dann wird es gefährlich.

Die Suche nach Indizien für die Elefantenjagd

Immer wieder finden sich Schnittspuren an Waldelefantenknochen. Doch das heißt nicht, dass Neandertaler die Tiere auch erlegt haben. Um das zu erforschen, hat ein internationales Forscherteam Knochen von Waldelefanten miteinander verglichen. Die Schnittspuren zeigen, wie geschickt die Neandertaler die riesigen Rüsseltiere zerlegten. Die Knochen, die verglichen wurden, stammen aus dem Fundstellenkomplex Neumark-Nord. Ein Fundplatz, der in den 80er und 90er Jahren maßgeblich von Prof. Dr. Dietrich

Eine Frau kniet auf einem von mehreren Tischen, und leuchtet mit einer Lampe einen Elefantenknochen an, der gut drei mal so groß ist wie sie selbst.

Prof. Dr. Sabine Gaudzinski-Windheuser untersucht einen Oberschenkel eines Waldelefanten (Foto/©: LEIZA / Lutz Kindler).

Mania untersucht wurde (Den kennt ihr bereits von der Geschichte der Entdeckung Schöningens). Es handelt sich um Funde, die in einem Braunkohletagebau nahe Halle zutage kamen. Ein Hirschjagtplatz konnte hier schon lange nachgewiesen werden. Doch die Untersuchung der gut 70 Waldelefanten war ungleich schwerer. Denn die Knochen sind gigantisch und man kann sie z.B. nicht so leicht umdrehen, um ihre

Eine Mikroskopaufnahme zweier Ritze auf einem Knochen. Die Ritzungen verlaufen parallel, sind gut 10 mm lang, weniger als einen 1/4 mm dick.

Die Spuren, die wie in diesem Falle zeigen, dass hier der Fuß des Elefanten sorgfältig abgetrennt wurde, sind im Vergleich teils winzig (Foto/©: Sabine Gaudzinski-Windheuser und Lutz Kindler)

Oberfläche zu betrachten. Aber das genaue Betrachten der 3.122 Waldelefantenknochen ist für die Forschung wichtig. Denn an der Knochenoberfläche haben die Flintsteinwerkzeuge der Neandertaler vor 125.000 Jahren Spuren hinterlassen. Und diese Spuren sind teils winzig und müssen unter dem Mikroskop betrachtet werden.

Wie wurde nun belegt, dass Elefanten gejagt wurden?

Bei den Untersuchungen fiel zunächst eines auf: Es waren überwiegend männliche Elefanten, die sich unter den Vergleichsknochen befanden. Außerdem waren viele Tiere über 25 Jahre alt – die meisten aber über 40. Das ist kein normales Sterbemuster einer Population auf einem Elefantenfriedhof. Es muss dort auch Weibchen oder Jungtiere

Eine Rekonstruktion eines Waldelefanten, von Nahmen. Die Kamera sitzt auf dem Rüssel und schaut dem Elefanten in die Augen.

Dieses Foto habe ich selbst im Landesmuseum in Halle von einer 1:1 Rekonstruktion eines Waldelefanten gemacht, als ich direkt davor stand, damit ihr euch in die Perspektive reinfühlen könnt, die man hat, wenn man direkt vor so einem Giganten steht.

geben. Das erste Indiz für die Elefantenjagd ist also die ungewöhnliche Geschlechts- und Altersspanne der Waldelefanten. Die Neandertaler haben sich möglicherweise gezielt die großen Tiere für ihr Festmahl herausgesucht und auch die älteren, möglicherweise schwächeren Exemplare.

Aber wie haben die Neandertaler diese Giganten gejagt?

Über genaue Jagdstrategien kann die Forschung bislang nichts sagen – aber es gibt auch hier Indizien. Der ethnologische Vergleich zeigt: Elefanten werden heute meistens mit Fallen gejagt, in die sie hineinfallen und dann mit Speeren von Oben erlegt – alles, was dazu notwendig ist, kannten die Neandertaler bereits. Die ältesten bekannten Speere sind immerhin fast doppelt so alt wie die hier analysierten Elefantenknochen. Der Vergleich der Knochen zeigte, dass in einem Verlauf von 2.000 Jahren immer wieder Waldelefanten erlegt wurden. Das sind dutzende Neandertalergenerationen, die in der gleichen Region, wieder und wieder auf die Jagt gingen. Man geht davon aus,

Ein Waldelefant kommt durch die Wand. Daneben lehnt eine Frau, die gut 1/3 so groß ist wie der Elefant

Im Landesmuseum in Halle steht eine lebensgroße Rekonstruktion eines Waldelefanten, die Erstautorin der hier gezeigten Untersuchung, Prof. Dr. Sabine Gaudzinski-Windheuser, zeigt sich hier im Größenvergleich (Foto/©: LEIZA / Lutz Kindler)

dass eine Neandertalergruppe aus ca. 25 Personen bestand. Ein Waldelefant liefert aber 2.500 Portionen für erwachsene Neandertaler zu jeweils 4.000 Kalorien. Wie sollen nur 25 Leute das alles essen? Außerdem, wie sollen nur 25 Leute einen solchen Giganten erlegen? Die aktuelle Idee dazu ist: Die Neandertalergruppen haben sich immer wieder zusammengeschlossen, um gemeinsam einen Elefanten zu erlegen. Das scheint nicht nur hier passiert zu sein, auch auf einem 200.000 Jahre alten Rhinozeros Jagdplatz in Frankreich wird eine solche Jagdvereinigung vermutet – ein besonderer Einblick in das Sozialverhalten der Neandertaler.

Am Ende bleiben viele Fragen offen

Bislang wird die Elefantenjagd also nur an Indizien rekonstruiert, wenngleich unfassbar eindrucksvolle Indizien. Der ethnologische Vergleich zeigt – Elefanten werden oftmals nach der Jagt konserviert, um einen Lebensmittelvorrat zu haben. Beispielsweise wird das Elefantenfleisch geräuchert – Bis ein Afrikanischer Elefant verarbeitet ist, braucht man auf eine Person umgerechnet gut 745 Arbeitsstunden. Wie lange hat das wohl bei einem Waldelefanten gedauert? Und haben die Neandertaler Vorräte aus

Auf dieser befinden sich viele kleine Schnittspuren, und eine Große starke, genau in der Mitte von oben nach unten.

Die Schnittspuren auf dem Fersenbein des Elefanten, erzählen die Geschichte, wie er zerteilt wurde (Foto/©: Wil Roebroeks, Universität Leiden).

Räucherfleisch angelegt? All das sind Fragen, die zukünftige Forschungen vielleicht beantworten werden. Aber Vegetationsanalysen zeigen: Die Neandertaler haben die Landschaft Europas stark verändert. In den zweitausend Jahren, in denen die Waldelefanten gejagt wurden, haben sie zu einer starken Entwaldung der Region beigetragen. Nicht nur, dass sie Holz brauchten, zum Feuer machen, für ihre Werkzeuge oder sogar Textilen – derzeit sieht es so aus, dass die Neandertaler die erste Menschenart war, die ihre Umwelt aktiv an ihre Bedürfnisse angepasst hat. Sie haben sich so vielleicht auch die Elefantenjagd erleichtert.

Literatur:

https://web.rgzm.de/a/article/neandertaler-jagten-waldelefanten-erster-beweis-fuer-elefantenjagd-durch-den-fruehen-menschen-1/

https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.add8186

https://www.archaeologie-online.de/nachrichten/neandertaler-jagten-waldelefanten-5526/

Earliest evidence of humans hunting elephants

Neandertaler jagten Waldelefanten – Erster Beweis für Elefantenjagd durch den frühen Menschen

3 Gedanken zu „Neandertaler auf der Jagt nach gigantischen Elefanten

  1. Pingback: Scrat was Real – Sterbliche Überreste entdeckt | Miss Jones

  2. Pingback: Allein im Archäologenmekka | Miss Jones

  3. Pingback: Archaeology 2023-12-26 – Ingram Braun

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert