Auf die Idee für diesen Artikel hat mich dieses Mal eine Diskussion an der Uni gebracht. Derzeit wird auch im universitären Rahmen viel über Kulturerbe diskutiert, nicht zuletzt wegen der zahlreichen Zerstörungen in den letzten Jahren. Dazu stellt sich natürlich die Frage wie man ein Kulturerbe überhaupt definieren kann. Ein Kulturerbe ist eine Stätte an der sich eine bestimmte Ausprägung der Menschheitsgeschichte, einer Kultur oder einer Gesellschaft in meist architektonischer weise manifestiert. Das bedeutet, dass das Alter der Stätte nicht zwingend von belang ist. Es geht darum in besonderer Weise Symbole für eine bestimmte Zeit, Kultur oder Gesellschaft zu bewahren.
Der Titel UNESCO Weltkulturerbe ist für viele Orte mehr als eine Ehrung. Es ist ein versprechen auf Unterstützung bei der Bewahrung des kulturellen Erbes und beim Ausbau des touristischen Sektors. Es geht nicht zuletzt um den Austausch von kulturellem Wissen auf globaler Ebene. Daraus ergibt sich die große Vielfalt die diese Welterbestätten haben können. Das Welterbe gehört allen Menschen. Es zeigt nicht nur die Fähigkeiten unserer Vorfahren, sondern viele verschiedene Formen von Gesellschaften, welche schon existiert haben.
Nicht zuletzt dieser Punkt sorgt immer wieder für Bestürzung. Der „IS“ hat vielfach Kulturgüter zerstört. Dies erschütterte viele Menschen auf der ganzen Welt. Denn dieser Akt war symbolisch. Es ging unter anderem darum zu zeigen, dass nur die Gedankenwelt des „IS“ richtig ist, und keine anderen Ideen akzeptiert werden. Außerdem stehen diese Bilder symbolisch für die Gräueltaten dieser Organisation. In dieser Hinsicht stellt sich die Frage welchen Sinn die Auszeichnung einer Stätte als Weltkulturerbe überhaupt erfüllt. Gerade wenn es doch so scheint, als ob man damit große Zielscheiben für den „IS“ platziert. Dadurch scheint diese Auszeichnung keine schützende Wirkung für die betroffenen Stätten zu haben. Ganz im Gegenteil.
Aber ich möchte anmerken, dass es faschistisch ist, alle Denkweisen außer der eigenen vernichten zu wollen. Es geht diesem Menschen nicht darum andere Menschen nur zu töten, sie wollen jegliche Erinnerung an andere Lebensweisen auslöschen. Das Weltkulturerbe ist ein Symbol für die Vielfalt menschlicher Ideenwelten. Diese zu verstehen und zu erkunden ist eine Möglichkeit Toleranz gegenüber diesen anderen Lebenswelten zu finden. Stätten welche Faszination für andere Lebensrealitäten auslösen können sind dabei von besonderer Bedeutung. Das ist zumindest meine Auffassung.
Die Auswahl eines UNESCO-Weltkulturerbes steht also auch in realpolitischen Bezügen, welche sich auch auf die Lebensrealität vor Ort bezieht. Deswegen habe ich versucht Orte nicht einfach nur raus zu suchen, sondern darauf Wert zu legen, das eine Auszeichnung als Weltkulturerbe gleichzeitig eine positive Wirkung hätte. Die Zielsetzung der UNESCO beläuft sich nämlich nicht nur auf den Erhalt von kulturellen Stätten, sondern auch auf den Umgang mit ihnen. Das ist nicht zuletzt der Grund warum Stätten von der Liste wieder entfernt werden können. Das Tragen dieses Titels ist zwar mit Vorteilen aber auch mit Pflichten verbunden. Einen Sinn des Labels UNESCO Weltkulturerbe würde ich mir persönlich bei folgenden Stätten erhoffen:
5. Gournia
Gournia ist eine archäologische Stätte der Minoer auf Kreta. Es handelt sich um die Ruinen einer bronzezeitlichen Hafenstadt. Hier hat sich das Alltagsleben der Menschen abgespielt. Die Stadt wurde vermutlich von einem Tsunami überschwemmt und zerstört. Als ich einmal in Gournia zu Besuch war, stand gerade ein Profil offen, in dem das Durcheinander einer plötzlich zerstörten Stadt deutlich zu sehen gewesen ist. Damit ist diese Stätte nicht nur ein signifikanter Ort an dem sich die Kultur manifestiert, gezeigt wird vor allem das Ende einer Solchen infolge einer Naturkatastrophe. Derzeit versucht die UNESCO besonders Orte hervorzuheben, welche symbolisch für den Klimawandel stehen. Dieser wird noch viele Katastrophen hervorrufen. Hier gibt es die Möglichkeit eine Art real existierendes Atlantis zu präsentieren. Außerdem würde Gournia eine Stätte sein, welche im Vergleich zu vielen Welterbestätten keinen Prestigeort zeigt, sondern einen alltäglichen Lebensraum einer vergangenen Kultur.
4. Lepenski Vir
Lepenski Vir liegt im serbisch-rumänischen Grenzraum an der Donau. Diese Stätte ist eine ganz besondere, denn sie ist signifikant für den Übergang von Meso- ins Neolithikum. Es ist eine Fundstätte, an der sich die Sesshaftwerdung der Menschen manifestiert. Dies war vielleicht die wichtigste Innovation in der Geschichte der Menschheit. Zu dem Fundplatz gibt es heute ein Museum welches die Befunde in ihrer gesamten Größe präsentiert. Auffällig für diesen Fundplatz ist nicht nur, dass über 7000 Jahre alte Wohnplätze identifiziert worden sind, die einen gleichförmigen regulären Aufbau haben, sondern auch das es eine interessante Kultur gab, welche sich hier entwickelte. Diese zeigt sich in Figuren, welche sich im Siedlungsbereich fanden. Dargestellt sind Wesen, welche fischähnliche Münder haben. Diese Stätte sollte Weltkulturerbe werden, da sie uns zurück auf die Wurzeln der heute dominierenden sesshaften Lebensweise der Menschen führt.
3. Die Höhle der Schwimmer in Gilf el-Kebir
Die Höhle der Schwimmer ist nur eine von vielen Höhlen mit Felsenmalereien, welche alle in Bezug zueinander stehen. In diesen Höhlen finden sich Felsmalereien welche ein Mindestalter von 4000 Jahren aufweisen. Auf diesen Felsmalereien sind Menschen abgebildet, die in einer fruchtbaren Landschaft leben. Unter anderen sind auch Schwimmer abgebildet, was namensgebend für die Höhle ist. Als die Höhlen in den 30. Jahren entdeckt wurden, war dies sehr überraschend, denn die Höhlen befinden sich in Ägypten, weit entlegen, inmitten der Wüste. Auf dem Nomadblog findet ihr einen Buchtipp und ein paar weitere Informationen über diese Höhlen. Als die Theorie aufkam, dass ein Klimawandel dafür gesorgt hat, dass sich die Wüste in dieser Region ausgebreitet hat, und die Menschen hier zuvor in einer fruchtbaren Region lebten, distanzierten sich zunächst viele Wissenschaftler von dieser Idee. Heute wäre es die ideale Stelle, an der die UNESCO auf die Folgen von Klimaveränderungen hinweisen könnte.
2. Kloster Taktshang
Das als Tigernestkloster bekannte Gebäude wurde im 17ten Jahrhundert an einem 70m hohen Felsabhang gebaut. Es liegt im Paro-Tal im Himalaya. 1974 baute Bhutan die erste Straße. Seit dem gibt es Tourismus in Bhutan. Der Tempel ist aufgrund seiner Schönheit, und der Schönheit der landschaftlichen Umgebung ein beliebtes Reiseziel. Backpacker und abenteuerlustige Reiseblogger wie z.B. Clearskies lieben diesen einzigartigen Ort. Längst haben auch Investoren das Gebiet entdeckt. Nicht weit von dem Tempel entfernt stehen Luxushotels. Ein Flughafen wurde in das Tal gequetscht, in einem Land, dass sich dem Kapitalismus und der Globalisierung weitestgehend verweigert. Zwar ist der Tempel nur zu Fuß zu erreichen, doch die Trekkingtour ist oftmals der Anlass überhaupt in dieses Tal zu reisen. Sie gilt sogar als Bestandteil von “All inklusive” angeboten.
Ich würde dieses Kloster zum Weltkulturerbe ernennen, weil es einerseits in einer besonderen Lage gebaut ist, und sich hier die religiöse Kultur der Menschen aus Bhutan über Jahrhunderte manifestiert hat. Andererseits aber auch, um an dieser Stelle einen nachhaltigen Tourismus zu fördern, und das ist eines der Ziele der UNESCO. Die Gefahr das hier eine lange gewachsene Kultur durch kapitalistische Ausbeutung zerstört wird, erscheint mir sehr hoch. Ich reise selber gerne, und dieses Kloster ist eines meiner absoluten Traumziele. Ich kann sehr gut verstehen, warum man sich dort hinbegibt. Doch leider kann der Tourismus, eine zerstörerische Kraft auf Umwelt und Kultur ausüben, wenn er rücksichtslos gestaltet ist. Das kann sehr schnell passieren, und es wäre sehr Schade wenn dieser tolle Ort davon betroffen wäre.
1. Die Ebene der Tonkrüge
Die Ebene der Tonkrüge wurde der UNESCO bereits vorgeschlagen. Diese hat aber noch nicht entschieden ob es die Ebene in seine Liste aufnimmt. Ich möchte dafür plädieren, da es sich bei dieser Ebene um ein einzigartiges Phänomen handelt. Die Ebene der Tonkrüge liegt in Laos, und ist seit langem ein nicht mehr ganz so geheimer Geheimtipp auf Weltenbummler-Blogs wie „wo der Pfeffer wächst“ oder „travelblog.org“.
Ebene der Tonkrüge in Laos. Die Bezeichnung des Ortes ist irreführend. Es handelt sich weder um Tonkrüge noch um eine einzelne Ebene. Vielmehr sind es Steinvasen, die sich auf mehreren Ebenen befinden. Sie sind zwischen 2000 und 1500 Jahre alt und die größten haben bis zu 5 Meter im Durchmesser. Vermutlich handelt es sich um Bestattungen einer Megalithkultur. Solche Megalithkulturen gibt es zwar weit verstreut über den Globus, doch hier ist der einzige Ort an dem riesige Krüge stehen. Allein diese Fakten sollten Grund genug sein die Ebene der Tonkrüge zum Weltkulturerbe zu erklären. Das Ausrufen des Gebietes als Kulturerbe könnte der Region weitgehend helfen. Noch immer ist die Region vom Vietnamkrieg gezeichnet, und viele Ebenen, auf denen sich die Tonkrüge befinden, können noch nicht betreten werden. Immer wieder verursachen alte Tretminen Unfälle. Die Entschärfung dieser Flächen und die Werbung, welche es für den Tourismus geben würde, könnte die gesamte Region stärken. Es könnte eine Form des nachhaltigen Tourismus etabliert werden, von dem vor allem die Bevölkerung der Umgebung profitiert. Die Grundlagen gibt es Dank abenteuerlustiger Backpacker in dieser Region bereits.
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Hallo Miss Jones, danke für die interessante Übersicht – und Deinen Link natürlich. Viele Grüße und einen schönen Jahresausklang, Heiko
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