Wir können mehr als Buddeln!

Bei meinem Bewerbungsmarathon habe ich mich oft auf Stellen beworben, die außerhalb der Archäologie liegen. Der Grund: Wir haben viele Fähigkeiten im Studium gelernt und deswegen oft auch Grundlagen, für ganz andere Jobs. Mit minimaler Unterstützung wäre es für Unternehmen also eigentlich eine Möglichkeit, die Fachkräfte zu finden, die beim Fachkräftemangel anscheinend so sehr gebraucht werden. Natürlich gibt es viele Fähigkeiten, die hinzukommen, weil man im Studium auch noch individuell Dinge, verschieden interessant findet. Die eine befasst sich viel mit Metallanalysen, den anderen interessiert das als Steinzeitfan aber gar nicht. Es gibt aber auch Qualifikationen, die wir alle haben und von denen Arbeitgeber gar nicht wissen, dass sie in uns schlummern. Und einige dieser Fähigkeiten möchte ich euch heute vorstellen:

1. Technisches Zeichnen

Das müssen wir alle im Studium lernen. Wir dokumentieren ganze Ausgrabungen, einzelne Funde oder Knochen. Wir entwickeln dafür Schemata und Strukturen. Das heißt: Wir bringen Kenntnisse im genauen Festhalten von Situationen mit. Aber auch darin maßstabsgetreu zu zeichnen und das ganze sogar zu digitalisieren.

Architektonische Zeichnung des Grabmonuments. Einmal von Oben. Hier ist die Schifförmiege Grundfläche zu sehen. Ein eingang und ein Raum am Heck, und eine eingezogene Steinplatte am Bug. AQuf einer zweiten Zeichnung ist das Gebäude von der Seite zu sehen. auch hier die eingezogene Steinplatte.

Zeichnung des Grabmonumentes Naveda des Tudons von Innen und von Oben. Solche Zeichnungen sind in wirklich jeder archäologischen Arbeit (Bild: Gemeinfrei)

Wenn man diese Grundlage nicht versteht, dann kann man in der Archäologie nicht weiterkommen. Alle Fachjournale, Texte, Vorträge greifen auf dieses grundlegende Wissen zurück. Deswegen müssen das auch alle Archäologen beherrschen. Dazu gehört auch:

2. Fotografieren und Grafik

Die fotografische Dokumentation ist ein Standardverfahren auf archäologischen Ausgrabungen und für die archäologische Arbeit. Wir nutzen sogar verschiedene Fototechniken. Das geht bis hin zu dreidimensionaler Fotografie, oder gleich dem dreidimensionalen Einscannen von Gegenständen um sie Digital zu rekonstruieren. Das brauchen wir, um damit weiterzuarbeiten. Auszurechnen, wann fällt die Burgmauer um?

Eine Besattung. Ein Skelett ist zu sehen, das in einer Grube leigt. Es hat im rchten Winkel angewinkelte Oberschenkel, und liegt auf der linken Körperhälfte. Einige Keramikgefässe wurden dr Bestattung beigelegt.

Die Lagebeziehung der einzelnen Objekte zueinander in einem solchen Grab ist für uns Archäologen extrem aufschlussreich. Deswegen lernen wir Fotografisches Dokumentieren (Foto: Czech Society for Archaeology)

Wie ist der Schädel wirklich geformt? Und wie genau war eigentlich das Schwert in dem Grab positioniert? Der Umgang mit diesen Techniken ist also absolut wichtig für uns. In jedem Vortag und in jeder Publikation sind Bilder vorhanden, die gewisse Standards erfüllen müssen. Hierzu gestalten wir aufbauend auf unseren Forschungen noch die verschiedensten Formen von Grafiken, um Sachverhalte zu veranschaulichen.

3. Objektwissen und Materialkenntnis

Wir rekonstruieren vergangene Gesellschaften anhand von Funden. Das sind Objekte, die wir kennen müssen. Wir lernen also im Studium unterschiedlichste Gegenstände und ihren Gebrauch kennen, damit wir sie später erkennen und richtig einordnen können. Wir lernen, vom Objekt ausgehend zu denken. Diese Objekte bestehen aus Materialien, die Eigenschaften mitbringen.

Eine Archäologische Ausgrabung ind er ein Holzbrett freigelegt wurde. Ein Eimer halbvoll mit erde und zwei Kelen liegen herum-

Wenn wir, wie hier Holz bergen, dann müssen wir wissen, was wir tun müssen, damit es nicht zerfällt. Meistens erhält sich Holz im feuchten Boden, man muss es wässern. Metallfunde wässert man hingegen besser nicht, damit sie nicht rosten. Es gibt aber noch so viele weitere Materialien, da lernt man nie aus.

Diese Eigenschaften müssen wir auch kennen. Woraus besteht ein Gegenstand? Wie stark ist er angegriffen? Unter welchen Bedingungen zerfällt ein Material und auf welche Art? Wie bewahren wir das am besten auf, damit es nicht kaputtgeht? Wie konserviert man etwas? Wir bringen einen großen Wissensschatz für solche Fragen mit und wenn wir ein Objekt einmal nicht kennen, dann wissen wir, wie wir recherchieren müssen es herauszufinden.

4. Handwerk

In der Archäologie rekonstruieren wir vergangen Zeiten. Das heißt auch die Handwerkstechniken in ihrer Entstehung und ihrer Ausführung. Was Menschen für Objekte herstellen konnten, hängt nämlich maßgeblich mit ihrer Lebensweise zusammen.

Eine Frau sitzt auf deinem ungedeckten Dach und schnurrt es mit Bast an den Pfosten fest.

Und ich kann euch aus eigener Erfahrung sagen, dass es ganz schön abenteuerlich ist, ein Dach von einem Steinzeithaus 1:1 nachzubauen, aber bei solchen Projekten lernen wir Archäolog*innen viel über Handwerkstechniken (Das Foto ist im Steinzeitpark Dithmarschen entstanden).

Wenn wir deswegen Funde experimentell nachbauen, lernen wir mehr darüber. Aber auch auf Ausgrabungen selbst braucht man Handwerks-Know-how. Z.B.: Wie baut man eine Kiste, die stark genug ist eine Blockbergung zu transportieren? Durch unsere Aufgabe, die Vergangenheit zu erfassen und zu rekonstruieren, kommen fortwährend immer neue handwerkliche Fähigkeiten oder Wissen über diese Fähigkeiten hinzu.

5. Teamwork

Auch wenn es immer wieder Probleme mit Mobbing gibt – statistisch gesehen ist dieses zumeist von Chefpositionen ausgehend. Das Team selbst ist oft echt gut miteinander. Denn sonst könnte man auf einer Ausgrabung gar nicht arbeiten. Man muss sich aufeinander verlassen können.

6 Frauen in Blauen Höhlenanzügen, die alle ihren Helm im Arm tragen.

Diese Kolleginnen haben z.B. die Rising Star Höhle untersucht. Das war eine gefährliche Untersuchung, da muss man sich aufeinander verlassen können (©John Hawks/Wits University).

Gerade auf Lehrgrabungen habe ich oft gesehen, dass diejenigen, die keine Teamplayer sind, nach der ersten Grabung das Studium abbrechen. Man kommt allein nicht weit in der Archäologie. Deswegen sind wir echte Teamplayer. Wir verbringen auf Forschungsgrabungen auch mal wochenlang 24/7 zusammen, teilen dabei auch die Betten bzw. Zelte miteinander. Das muss man können.

6. Das Chaos beherrschen

Zwei Männer bergen einen Mammutstoßzahn an einem Steilen sandigen Abhang. Im Hintergrund kommt die riesige Schaufel des Braunkohlebaggers auf sie zu.

Hartmut Thieme (Links) bei der Bergung eines Elefantenstoßzahns mit einem Teammitglied. Gerade solche Notbergungen am Rande eines Braunkohletagabaus sind Situationen wo man im Chaos schnell und professionell sein muss (Foto: Peter Pfarr).

Wenn eines wirklich chaotisch ist, dann ist es eine archäologische Ausgrabung. Hier müssen Funde gewaschen werden, hier muss eine Zeichnung gemacht werden, da läuft gerade der Regen in die Ausgrabung und dort ist ein Teammitglied gerade umgeknickt. Irgendwas ist immer. Ausgrabungen funktionieren nur, wenn man dabei einen kühlen Kopf behält. Das gilt nicht nur für die Grabungsleitung. Jeder muss das Chaos beherrschen. Jeder muss aufräumen, schauen, ob die Werkzeuge heile sind. Bei einem plötzlichen Regenschauer, muss jeder schnell sein und im größten Stress hochprofessionell Funde sichern, bevor sie Nass werden. Mit Pech in einem Moment, wo gerade die Presse daneben steht und eine Kamera auf alles gerichtet ist. Alle Papiere müssen aber trotzdem so verwahrt werden, dass nichts durcheinander kommt. Wenn da eine Person zusätzlich Chaos stiftet oder nicht aufpasst, funktioniert nichts. Deswegen können wir chaotische Situationen meistern.

7. Probleme Lösen

Probleme haben wir dauernd. Im Grunde genommen ist jeder Schritt bei unserer Arbeit ein neues kurioses Problem. Wir machen den lieben langen Tag nichts anders, als Probleme lösen. Das führt dazu, dass in Österreich Archäologie als einer der Berufe gilt, der mit am meisten Patente anmeldet. Dazu habe ich keine Nachweise gefunden, aber es gibt diese Geschichte, die immer erzählt wird: Die foliensichere Gartenteich- schaufel.

Ein Querschnitt durch die Pyramide in Farben sind 8 verschiedene Bauphasen eingezeichnet.

Allein die Bauphasen einer solchen Mayapyraminde zu bestimmen ist ein riesen Problem, und ein verdammt großes Logikrätsel (Bild: Science).

Erfunden, als bei einer Ausgrabung ein starker Regenschauer die Schutzplane in das Loch gedrückt und die Ausgrabung in einen Pool verwandelte. Da die Funde darunter trocken, also unbeschadet waren, musste man nun das Wasser aus dem Loch bekommen. Dabei musste aber die Plane heile bleiben, damit alles darunter weiter trocken bleibt. So entstand eine Schaufel, mit der man Wasser aus dem Gartenteich schaufeln kann, ohne die Teichfolie zu beschädigen. Wir Archäolog*innen sind also perfekte Problemlöser für alle Arten kurioser Situationen, weil wir es gewohnt sind und dabei auch gerne mal basteln und tüfteln.

8. Karten gestalten und verstehen

Vermessungsgeräte bedienen gehört zu unserer Grundausbildung. Wenn wir Fundplätze haben, messen wir jeden Fund exakt ein. Und wenn wir überregional Kulturgüter vergleichen, dann tun wir das anhand von digitalen Karten, die wir selbst erstellen.

Eine Grundrisskarte von Tempel, und dem dahinterliegenden Bau. Die Räume des Nebengebäudes sind mit A B C Beschriftet. Es ist deutlich, das der Eingang nach Norden zur Siedlung Lato zeigt, und das der Bau aus einem zweigeteilten Raum A,B besteht und Raum C davon Abgeht, und ungefaähr so groß ist wie A und B zusammen

Die Tempelterasse des Fundplatzes Lato. Diese Karte habe ich selbst gezeichnet – aber sonst findet sich in jeder Archäologischen Publikation mindestens eine Karte – wir brauchen den Geographischen Bezug um Fundplätze genau zu verstehen. Das heißt wir beschäftigen uns täglich mit Karten.

GIS, also Geo Informationssysteme, sind eine der relevantesten Skills in der archäologischen Ausbildung. Wir müssen Karten zudem verstehen können, damit wir wissen, wie genau die Fundumstände gewesen sind. Deswegen gestalten wir Karten verschiedenster Art, in Verbindung mit verschiedensten Formen geografischer Analyseverfahren.

9. Methodik Kenntnisse quer durch die Forschung

Wenn wir etwas Untersuchen brauchen wir Kenntnisse aus allen möglichen Fächern. Welches naturwissenschaftliche Datierungsverfahren passt zu meinem Fund? Welche physikalischen Kräfte wirkten auf einen gebrochenen Knochen ein? Welche Verletzungen hatte sich die Moorleiche zu Lebzeiten zugezogen? Welche Getreideart ist die, die wir in diesem Speicher gefunden haben?

Fotos der 7 Flöten.

Flöten aus Vogelknochen – wenn wir so einen Fund untersuchen, müssen wir uns erst einmal mit Vogelknochen beschäftigen um herauszubekommen, was für Vögel waren das, deren Knochen hier zu Flöten umgearbeitet wurden (Bild: Davin et al., 2023).

Und wie hoch kann dieses Haus maximal gewesen sein? Ihr merkt, jede dieser Fragestellung reicht in ein anderes Forschungsgebiet hinein. Egal ob Statikberechnung, Physik, Medizin und vieles mehr, wir müssen uns Grundkenntnisse in anderen Fächern aneignen. Das heißt wir haben eine breite überfachliche Grundbildung, wenn wir das Studium verlassen. Und wir sind es gewohnt, diese in alle Richtungen weiter auszubauen.

10. Wir können spannende Geschichten erzählen

Das ist eine etwas seltsame Qualifikation. Aber tatsächlich wurde ich genau deswegen immer wieder eingestellt. „Was haben sie studiert?“ „Archäologie“ „Sehr gut, langweilige Kollegen haben wir schon genug! Sie haben den Job!“. Das war gerade das Originalzitat aus einem Bewerbungsgespräch. Das scheint ein Softskill zu sein, den manche Arbeitgeber wertschätzen.

Ich, wie ich Fotos von Ruinen mache

Und ja, wenn man auf Fundplätzen herumgekraxelt ist, hat man schon einiges erlebt – aber auch wenn wir am Abend der Exkursion zusammen sitzen, da lernen wir Geselligkeit.

Wir sollten also unser Licht nicht in den Schatten stellen, sondern zeigen, was wir alles können. Denn solange es in der Archäologie nicht genug Arbeitsplätze gibt, müssen wir eben andere Sachen machen. Da wäre es doch toll, wenn unsere Qualifikationen anerkannt wären und wir nicht nur auf schlecht bezahlten Jobs hängenblieben, für die man gar keine Ausbildung braucht. Wenn dir noch weiter Fähigkeiten einfallen, die wir mitbringen, dann schreibe mir doch gerne einen Kommentar.

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